Aufgrund des immer engeren Bewerbermarktes setzen viele Unternehmen zunehmend auf die aktive Ansprache von Kandidaten. Dies hatten bis dato vor allem Personalberater übernommen und dafür unglaublich hohe Honorare eingestrichen: bis zu 33 % des Bruttojahresgehaltes des zu besetzenden Kandidaten.

Seit wenigen Jahren haben immer mehr Unternehmen begonnen, das Know How der Direktansprache innerhalb der eigenen Recruitingabteilung aufzubauen. Das spart nicht nur Geld, sondern verkürzt die Prozesse und sorgt dafür, dass Unternehmen ihren eigenen Talentpool aufbauen können.

Doch wirkliches Talent Sourcing will gelernt sein!

Am 18./19. Mai fand in Mainz erstmalig der deutsche Sourcing Summit statt und neben vielen namenhaften Speakern der Szene traf sich darüber hinaus so ziemlich jeder unternehmensinterne Sourcer, den Deutschland zu bieten hatte.

Der thematische Schwerpunkt wurde sehr auf die technische Seite gelegt: Wie findet man in Zeiten von Datenschutz und Co. dennoch die richtigen Mitarbeiter und wie erhält man alle relevante Informationen über sie. Was jedoch erst Freitagnachmittag und das nur sehr am Rande thematisiert wurde, ist das Thema: Wenn ich denn nun den perfekten Kandidaten gefunden habe, wie schaffe ich es, ihn von meinem Arbeitgeber zu überzeugen?

Wie verkaufe ich meinen Arbeitgeber?

Sicher ist es wichtig, erst einmal die richtigen Kandidaten ausfindig zu machen. Und bewegt man sich nicht grade in einer absoluten Nischen-Branche und sucht Astronauten für die NASA, kann man es mit Xing, LinkedIn & Co. schon recht weit bringen. Nur, was bringt es mir, wenn ich nun nach stundenlanger Recherche endlich den besagten Kontakt habe und nicht weiß, wie ich ihn von mir und dem Unternehmen überzeugen kann?

Talent Sourcing ist Vertrieb

Ja, in der Tat hat sich die Stellenbeschreibung eines modernen Recruiters um einen entscheidenen Baustein erweitert. Während er zuvor fit in Prozesssteuerung, Bewerbungsunterlagensichtung und Eignungsdiagnostik sein musste, soll er nun zusätzlich eine Affinität zu Vertrieb haben. Das ist eher untypisch und sicher ein Grund dafür, warum vermehrt reine Talent Sourcer eingestellt werden, die sich allein auf die Ansprache von Kandidaten sowie den Ausbau eines Talentpools konzentrieren.

Doch was ist denn nun wichtig bei der Direktansprache? Knallharte Fakten zur Position oder muss man den potentiellen Bewerber doch emotional erreichen? Und wie mache ich das?

  1. Fachliche Kompetenz in der Ansprache
    Am Anfang einer jeden Suche und Ansprache sollte ein sehr intensives Briefing mit dem Fachbereich stehen. Es ist wichtig, über die Rahmenbedingungen zur Position Bescheid zur wissen und die grundlegenden Fragen eines Kandidaten beantworten zu können. Ich selber rekrutiere für die IT Branche und muss zugeben, fachlich oftmals garnicht so tief in der jeweiligen Stelle drin zu sein. Ich kenne die groben Fakten, allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Kandidaten meist viel besser als ich wissen, was sie als Consultant, Projektmanager oder Service Manager tun müssen. Kann ich eine Frage nicht beantworten, höre ich beim Fachbereich noch einmal nach. Ich konzentriere mich viel eher darauf zu verstehen, was der Kandidat hören möchte und was ihn zu einem Wechsel motivieren kann. So gehe ich auch in jedes Gespräch zunächst mit der Frage: Was wäre Ihnen wichtig zu erfahren? Was könnte Sie zu einem Wechsel motivieren? Nicht ratsam ist es, einmal die Stellenausschreibung runterzubeten und sich lediglich auf harte Fakten zu konzentrieren. Das kann der Fachbereich in einem nächsten Schritt sicherlich um einiges besser. Deshalb gilt: eine gute Informationsbasis ist wichtig, aber nicht ausschlaggebend.
  2. Unternehmenskultur und Werte beschreiben
    Was der Kandidat meist nicht auf der Unternehmens-Homepage oder der Stellenausschreibung erfahren kann, ist das Thema: wie ist es bei dem Unternehmen zu arbeiten, was macht uns als Company besonders und welche Benefits kann der potentielle Bewerber erwarten? Hier hole ich gerne aus und beschreibe, wie groß der Freiraum in der Arbeit ist, wie es mit der Work-Life-Balance aussieht und wie die Kultur im Unternehmen allgemein ist. Auch beschreibe ich an dieser Stelle, wie die potentielle Führungskraft so tickt und was ihr wichtig in der Zusammenarbeit ist. Diese Informationen habe ich mir vor der Suche eingeholt und mache immer wieder die Erfahrung, dass die Kandidaten hierauf besonders achten. Selbstverständlich macht es wenig Sinn, jedem Kandidaten, die gleichen Benefits aufzuzählen. Hier benötigt man ein wenig Gespür dafür, was den Kandidaten interessieren kann. Jemandem, der grade sein Studium beendet hat, erkläre ich etwas zu den interneren Weiterentwicklungsmöglichkeiten, einer Frau um die 30 erläutere ich das Programm zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und mit einem erfahrenen Projektmanager spreche ich über die unterschiedlichen Rentenpakete. Hier empfehle ich: bereite Dich auf jedes Gespräch vor und überlege am besten vorab, was den Kandidaten interessieren kann.
  3. Persönlichkeit zählt
    Ich habe vor allem die Erfahrung gemacht, dass man noch so gut vorbereitet gewesen sein kann, wenn man es nicht schafft, in der Ansprache eine persönliche Beziehung zu dem potentiellen Bewerber herzustellen. Das heißt, ich beschäftige mich mit jedem Profil vor der Erstansprache intensiv und schaue auch einmal nach, ob wir vielleicht eine Gemeinsamkeit haben. Sagt der Kandidat, dass er in Urlaub fährt, frage ich nach, wohin und habe natürlich Verständnis dafür, dass er seinen Lebenslauf erst im Nachgang schickt. Berichtet jemand von seiner Hochzeit gratuliere ich und frage nach der Hochzeitsreise. Eine Ansprache muss nicht gleich ein Verkaufsgespräch sein, es geht vielmehr darum, dem Bewerber ein Gefühl dafür zu geben, dass ich an ihm interessiert bin- und das nicht nur rein beruflich. Ab dem Zeitpunkt, wo ich mit dem Kandidaten die weitere Vorgehensweise besprochen habe, fühle ich mich hauptverantwortlich für den weiteren Prozess. Auch wenn der Fachbereich sowie der verantwortliche Rekrutier nun den Bewerber übernehmen, halte ich den ihn weiterhin auf dem Laufenden, wie der Prozess läuft, gebe Feedback und sage ihm persönlich ab oder zu. Selbst wenn wir diesmal nicht zusammenkommen, sorge ich dafür, dass man in Kontakt bleibt und er in meinen Talentpool aufgenommen wird. Wenn der Bewerber bei uns eine positive Candidate Experience hatte, wird er seinem Kontaktnetzwerk davon erzählen!